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Schnitter Kriegsgefangene Zwangsarbeiter – Ausländische Landarbeiter in Mecklenburg
 
 
 
Gisela Krull

Schnitter Kriegsgefangene Zwangsarbeiter – Ausländische Landarbeiter in Mecklenburg

1. Auflage, 68 Seiten, 27 Abbildungen, Broschur
ISBN 978-3-948995-27-0

Ausländische Landarbeiter in Mecklenburg

8,00 € *
 
 
 
 
 

Sie gehören zur Geschichte Mecklenburgs im 20. Jahrhundert:
Wanderarbeiter: eine verachtete Minderheit im Dorf,
Zwangsarbeiter: für sie gab es keine Wiedergutmachung,
Kriegsgefangene: Ihre Arbeitskraft wurde unter Verstoß gegen die Genfer Konvention ausgebeutet.

In Schnitter, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter beleuchtet Gisela Krull ein bisher oft vernachlässigtes Kapitel der Geschichte Mecklenburg-Strelitz'. Mit tiefgründiger Recherche, persönlichen Begegnungen und den Erinnerungen von Zeitzeugen dokumentiert sie die Lebensrealitäten ausländischer Arbeiter, Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter, die während des 20. Jahrhunderts auf mecklenburgischen Feldern tätig waren. Die Autorin verknüpft Einzelbeispiele und persönliche Schilderungen mit einem breiteren historischen Kontext und schafft so ein vielschichtiges Bild einer Epoche, in der globale Entwicklungen und lokale Schicksale untrennbar miteinander verwoben waren. Dabei setzt sie sich auch kritisch mit Verdrängung und Verharmlosung auseinander und plädiert eindringlich für ein besseres Verständnis von Geschichte und Identität als Grundlage für Toleranz und ein friedliches Miteinander.

Dieses Buch ist nicht nur eine historische Bestandsaufnahme, sondern auch ein Appell an das Gewissen: Es ruft dazu auf, die Verantwortung für die Vergangenheit anzunehmen und Brücken zu bauen – zwischen Menschen, Kulturen und Generationen.

 

 

 

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Aus dem Vorwort der Autorin

Ich wurde 1999 von einer Redakteurin der Strelitzer Zeitung gebeten, einen Beitrag zu dem Thema Mecklenburg‐Strelitz im 20. Jahrhundert zu schreiben. Mir fielen spontan die ausländischen Arbeiter in der Landwirtschaft ein. Von den Saisonarbeitern hatte ich in der Peckateler Kirchenchronik gelesen, hatte noch ehemalige Schnitterinnen kennen gelernt, und hatte Nachkommen von Schnitterfamilien unterrichtet. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter kannte ich aus meiner Kindheit, wenn auch nicht in Mecklenburg.

Ungefähr 1980 begann ich, ältere Einwohner unserer Gemeinde zu befragen nach Lebensverhältnissen, Bräuchen und prägenden Ereignissen. Wenn sie über die Kriegszeit berichteten, erwähnten sie immer wieder die französischen Kriegsgefangenen und die Zwangsarbeiter. Sie hatten zu ihnen gehört, denn sie wurden gebraucht. Nach 1990, als die Frage der Entschädigung aktuell wurde, las ich mit Anteilnahme Beiträge zu diesem Thema und hörte Äußerungen im Dorf und Bekanntenkreis, die ich nicht immer billigte. Es ist an der Zeit, Verbrechen nicht mehr zu verharmlosen, wer immer sie beging.

Ich schrieb den gewünschten Zeitungsartikel unter der Überschrift "Fremde Hände regten sich auf mecklenburgischen Feldern". Die Reaktion beeindruckte mich. Leser sandten Zuschriften mit Schilderungen eigener Erlebnisse oder Beobachtungen. Im Heft 3 der Reihe Strelitzer Land hatte ich Gelegenheit, den Zeitungsartikel zu erweitern mit dem Versuch, das Thema in historisches Geschehen einzuordnen. Letztendlich blieb mein Text jedoch auf Einzelbeispiele beschränkt.

Im Jahre 2004 fand ich in der Stadtbibliothek Neustrelitz das Buch von Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. Mir schien kompetent, wie der Autor das Thema behandelt. Also ging ich noch einmal daran, nun mit Hilfe des Historikers, Zusammenhänge und Entwicklungen darzustellen. Die nüchterne Nennung von Zahlen und Fakten, die ich im Buch fand, ergänzte ich mit Zeitzeugenberichten, um die Schrift anschaulich zu gestalten, aber vor allem, um am Konkreten das Allgemeine aufzuzeigen.

Im Zeitalter der Globalisierung erscheint es mir wichtig, dass die Identität eines Volkes bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt wird. Menschen, die in denselben Verhältnissen, wie Landschaft, Klima, Sprache, Arbeitsweise und Sitten, leben, entwickeln bestimmte Handlungsmuster und Wertvorstellungen, dabei spielen auch die historischen Erfahrungen eine Rolle.

Manche Deutsche reden heute noch überheblich von „polnischer Wirtschaft“. Wenn das polnische Volk seit Jahrhunderten immer wieder von Nachbarländern bedroht, überfallen und beraubt wurde, entwickelte es zwangsläufig ein anderes Verhältnis zum Eigentum als die benachbarten Völker. Aus Erfahrung fühlten sich polnische Familien nie sicher, ob ihr Besitz eines Tages Kindern und Enkeln zugutekommen werde. Immerhin erlebten sie u. a. drei polnische Teilungen und im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege mit Kampfhandlungen innerhalb des Landes und jahrelange Besatzung. Das Wissen über Geschichte und Identität eines Volkes ist die Voraussetzung für Toleranz und für erfolgreiches Arbeiten in einer Völkergemeinschaft wie der EU.

Ich denke, das Thema über ausländische Landarbeiter ordnet sich hier ein. Besser als Marion Gräfin Dönhoff, „Vorkämpferin der Versöhnung mit unseren Nachbarn im Osten“, kann ich es nicht sagen. „In Nikolaiki, der kleinen Stadt in der Mitte der großen masurischen Seen, erhielt das dortige Gymnasium den Namen ‚Marion‐Dönhoff‐Schule’. Eine Deutsche als Patronin eines polnischen Gymnasiums! … Die Abiturienten bekamen in einer kurzen Ansprache zu hören: ‚Vielleicht werden Sie mich fragen, was mir als geistige Einstellung für die Zukunft am wichtigsten erscheint. Ich denke, ihr müsst vor allem versuchen, tolerant zu sein – denn wer wirklich tolerant ist, der wird nicht in Hass verfallen und darum auch nicht versucht sein, Gewalt zu üben … Er wird keine neuen Feindbilder erfinden, mit denen der Gegner verunglimpft wird. Wenn es Ihnen gelingt, wirklich tolerant zu sein, dann haben Sie viel für Ihr Vaterland geleistet.“ (Krockow 2004, S. 387)

Neustrelitz, im November 2024

Gisela Krull

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

Saison‐ oder Wanderarbeiter (Schnitter) 

Gründe für den Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft am Anfang des 19. Jahrhunderts

Ausländerbeschäftigung – Vorteil für die Gutsbesitzer

Sorge um die „Kirchlichkeit der Gemeinde“ und Nationalhass 

Die Anwerbung 

Skandalöse Wohnverhältnisse und andere Missstände 

Vom Saisonarbeiter zum Zwangsarbeiter 1914 bis 1918 

Beschäftigung polnischer Landarbeiter trotz Arbeitslosigkeit 1918 bis 1933 

Grüne Karten und Befreiungsscheine 

Polnische Schnitter wurden deutsche Staatsbürger 

Einsatz ausländischer Arbeitskräfte von 1930 bis 1939 

Wir waren Schnitterkinder 

Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene 

Polnische Kriegsgefangene in den Status „Zivilarbeiter“ überführt 

Arbeits‐ und Lebensbedingungen der polnischen Zwangsarbeiter 

Französische Kriegsgefangene oder „unser Franzose“ 

„Herrenmenschen“ kontra „Untermenschen“ 

Ostarbeiter‐Erlasse 1942 

Bessere Behandlung und politische Aufwertung 

Sie galten als fleißig und verursachten keinerlei Unruhe 

Eine ungewöhnliche „große Freundschaft“ 

Italienische Militärinternierte (IMIs) 

Das Problem: (Schwangere) Zwangsarbeiterinnen

Vom Zwangsarbeiter zur „Displaced Person“

Verstoß gegen Vereinbarungen der Jaltaer Konferenz 

Gnadenlose Sieger 

Zurück in die polnische Heimat 

Die Folgen des Zwangsarbeitereinsatzes 

Die Frage der Entschädigung 

Die Schuld wird nie beglichen werden 

Zwangsarbeiter oder Schnitter? 

Ein erfolgreicher Versuch

Sowjetische Offiziersfrauen in der LPG (T) Klein Vielen